Bund und Länder planen in ihrer Corona-Politik eine Kurswende.

Mrz 3, 2021

Wie aus einem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Entwurf für das Spitzengespräch am Mittwoch hervorgeht, soll eine weitaus höhere Sieben-Tage-Inzidenz als zentraler Wert bei der Öffnungsstrategie herangezogen werden als bislang. Künftig sollen auch bei Werten von unter 100 Öffnungen möglich sein. Noch am 10. Februar hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten beschlossen, etwa dem Einzelhandel erst bei Erreichen einer Inzidenz von 35 wieder Öffnungsmöglichkeiten zu geben. Generell soll dem Entwurf zufolge der Lockdown zunächst bis zum 28. März verlängert werden. Erste Lockerungen bei den Kontaktbeschränkungen sowie für Buch- und Blumenläden und Gartencenter soll es aber bereits ab Montag (8. März) geben. Danach werden weitere Öffnungsschritte an ein umfassendes Testregime geknüpft. Alle Bürger sollen einmal die Woche ein Angebot für einen kostenlosen Schnelltest bekommen. Die Beratungen begannen am Nachmittag.

Entscheidende Wende ist die Lösung für Öffnungsschritte etwa für den Einzelhandel allein von der Inzidenz 35. Dieser Wert gilt wegen der zuletzt wieder gestiegenen Infektionszahlen als in absehbarer Zukunft kaum erreichbar. Bund und Länder gehen aber davon aus, mit der ausgeweiteten Impfung sowie Massen-Schnelltests eine Ausbreitung der Pandemie trotz weiterer Öffnungsschritte beherrschen zu können. Wird der Wert 100 wieder überschritten soll dies wie eine „Notbremse“ wirken und die Lockerungen bei Kontaktbeschränkungen wieder zurückgenommen werden.

Das Robert-Koch-Institut meldete 9019 Corona-Neuinfektionen. Das waren 1012 Fälle mehr als am Mittwoch vor einer Woche. 418 weitere Menschen starben, die zuvor positiv getestet wurden. Die Sieben-Tage-Inzidenz fiel aber erneut leicht auf 64,0 von 65,4. Der Wert gibt an, wie viele Menschen sich in einer Woche pro 100.000 Einwohner infiziert haben. Als ernstes Problem gilt die Ausbreitung von Virus-Mutationen. Das Innenministerium kündigte deshalb an, die Kontrollen an der Grenze zu den sogenannten Virusvarianten-Gebieten Tschechien und Tirol bis zum 17. März zu verlängern.

NEUER STUFENPLAN

Der neue Entwurf sieht einen Stufenplan zu Öffnungen vor. Schulen werden nur noch am Rande erwähnt, weil die dafür zuständigen Länder in eigener Regie entscheiden wollen. Nach der bundesweiten Öffnung etwa von Buchläden und Gartencentern ab dem 8. März sowie der Arbeitserlaubnis für Fahrschulen wird in einem weiteren Schritt zunächst die Öffnung des Einzelhandels mit einem „Click and meet“-System angepeilt, bei dem Kunden Termine für den Besuch im Geschäft vereinbaren können.

Neu ist, dass ein weiterer Strang für mögliche Öffnungen bei einem Unterschreiten der 100er-Grenze geschaffen wird – was in den meisten Bundesländern derzeit ohnehin der Fall ist. Allerdings muss es laut Entwurf „in dem Land oder der Region eine stabile oder sinkende Sieben-Tage-Inzidenz“ geben. Nach ersten Öffnungen im Einzelhandel mit dem Konzept „Click and meet“, könnten einige Tage später auch Öffnungen mit einer Quadratmeter-Begrenzung kommen. So soll es neben Hygienekonzepten eine Begrenzung der Kunden auf eine Person pro zehn Quadratmeter für die ersten 800 Quadratmeter Verkaufsfläche und eine weitere für jede weiteren 20 Quadratmeter geben.

Ein ähnliches Vorgehen wird für Museen und Galerien, in einem späteren Schritt auch für die Außengastronomie vorgeschlagen. Sie sollen öffnen können, wenn entweder eine niedrige Inzidenz unter 35 erreicht ist – oder eine Inzidenz unter 100 mit Sicherheitskonzepten wie Voranmeldung oder negativem Schnelltest der Besucher. 14 Tage nach den Öffnungsschritten soll es dann möglich sein, auch Außengastronomie, Theater oder Kinos zu öffnen – bei letzteren mit einem Negativtest-Konzept. Auch Sport soll dann wieder in größerem Ausmaß möglich sein. Nach weiteren 14 Tagen ohne Verschlechterung ist dann eine flächendeckende Öffnung des Einzelhandels geplant sowie die Erlaubnis für Sport in Hallen.

ENTSCHEIDUNGEN ZU HOTELS WERDEN VERSCHOBEN

„Über weitere Öffnungsschritte und die Perspektive für die hier noch nicht benannten Bereiche aus den Branchen Gastronomie, Kultur, Veranstaltungen, Reisen und Hotels wird im Lichte der Infektionslage unter Berücksichtigung der angelaufenen Teststrategie, des Impfens, der Verbreitung von Virusmutanten und anderer Einflussfaktoren auf der nächsten Sitzung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder beraten“, heißt es weiter. Die nächste Ministerpräsidentenkonferenz soll am 22. März stattfinden.

Bund und Länder appellieren weiter, auf nicht zwingend notwendige Reisen im Inland und ins Ausland zu verzichten – auch hinsichtlich der bevorstehenden Ostertage. Zudem sollen Betriebe bis zum 30. April weiter Homeoffice anbieten müssen, wo dies möglich ist. Wie Betriebe Mitarbeiter testen sollen, soll bis Ende der Woche geklärt werden.

Bund und Länder wollen zudem mit einem Härtefallfonds ein zusätzliches Angebot schaffen, um Betrieben zu helfen, für die die bisherigen Hilfsprogramme bislang nicht greifen konnten. Das Wirtschaftsministerium kündigte an, dass auch große Konzerne ab sofort die Überbrückungshilfe III beantragen und damit staatliche Zuschüsse zu ihren Fixkosten erhalten können. Das werde unter anderem Firmen aus dem Einzelhandel sowie der Reise- und Hotelbranche helfen.

von Andreas Rinke (Reuters)

German Chancellor Angela Merkel wears a protective face mask before the weekly cabinet meeting of the German government at the chancellery in Berlin, Germany, March 3, 2021. Michael Kappeler/Pool via REUTERS

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