Bauern wollen zum Wochenstart mit Protestaktionen Verkehr lahmlegen.
Trotz der Zugeständnisse der Ampel halten die Bauern an ihrem Protest gegen Agrar-Kürzungen fest. Mit Autobahnblockaden, Kolonnen und Schleichfahrten wollen sie ab Montag auch Berlin und Brandenburg lahmlegen. Was wo geplant ist – ein Überblick.
- In Berlin Straße des 17. Juni gesperrt
- In Brandenburg Blockade von Autobahnauffahrten geplant, betroffen u.a. A24 und A20
- Bildungsministerium Brandenburg rechnet mit Problemen auf Schulweg
- Sorge vor Vereinnahmung durch radikale Gruppen
- Politiker und Bauernverband riefen vor Aktionswoche zur Mäßigung auf
Obwohl die Bundesregierung die geplanten Kürzungen im Agrarbereich weitgehend zurückgenommen hat, bereiten Bauern gemeinsam mit dem Transportsektor und teils weiteren Branchen massive bundesweite Proteste ab Montag vor. Die Protestwoche soll am 15. Januar in einer Demonstration in Berlin gipfeln.
Auch in Berlin und Brandenburg haben sie Schleichfahrten, Kolonnen und Blockaden angekündigt, die zu Verkehrsstaus führen könnten. Schulen und zahlreiche andere gesellschaftliche Bereiche dürften ebenfalls betroffen sein.
Der Protest mit Autobahnblockaden und anderen Behinderungen ist am Sonntag auch vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg erlaubt worden. Damit ist ein Antrag der Brandenburger Polizei gescheitert, wonach nicht alle Auffahrten einer Autobahn gleichzeitig versperrt werden sollten.
Angesichts der angekündigten Blockaden setzte das Land Brandenburg das Sonn- und Feiertagsverbot am 7. Januar aus, wie es am Sonntag mitteilte.
Straße des 17. Juni in Berlin gesperrt
In Berlin ist bereits seit Sonntag, 17 Uhr, die Straße des 17. Juni zwischen Großem Stern und Brandenburger Tor bis zum Montag, 22 Uhr gesperrt. Dort haben sich 300 Teilnehmende des Verbands „Freie Bauern“ angekündigt und wollen Montag, 12 Uhr eine Kundgebung am Platz des 18. März abhalten. Die „Freien Bauern“ sind eine eigene Interessenvertretung, die nicht zum Deutschen Bauernverband gehört, der zu der Aktionswoche aufgerufen hat.
In Brandenburg kommt es absehbar zu zahlreichen Verkehrsbehinderungen auf Bundes- und Landstraßen, Autobahnauffahrten sowie Verkehrsknotenpunkten, wie große Kreuzungen und Kreisverkehre, teilt die Brandenburger Polizei mit. Polizeisprecher Mario Heinemann sagte dem rbb, dass sich Polizei und Bauernverbände einig seien, dass die Abfahrten frei bleiben sollen.
Brandenburger Blockade-Orte im Überblick
Einen Überblick über die aktuellen Verkehrswarnungen bietet die Polizei [polizei.brandenburg.de, externer Inhalt].
Geplant sind unter anderem die Blockaden aller Auffahrten der A24 im Nordwesten des Landes. In der Uckermark sollen sieben Autobahn-Auffahrten blockiert werden, unter anderem an der A20. In Ostbrandenburg werden die Auffahrten zur A11 und A12 sowie mehrere Bundesstraßen zumindest vorübergehend dicht sein. Außerdem sind Traktorenkorsos durch mehrere Orte geplant.
Auch entlang der B96 im Nordwesten Brandenburgs, B1, B2 und B109 im Osten Brandenburgs, B87 und B96 im Süden Brandenburgs sowie im Westen Brandenburgs die L86 und B102 können teils durch Proteste blockiert sein.
Bildungsministerium rechnet mit Problemen auf dem Schulweg
Auch in vielen Städten in Brandenburg haben die Landwirte Kundgebungen, Proteste und Sternfahrten angekündigt, unter anderem in Potsdam, Cottbus, Frankfurt/Oder, Neuruppin, Birkenwerder, Oranienburg, Schwedt, Ahrensfelde, Eisenhüttenstadt, Prenzlau, Eberswade, Guben, Finsterwalde, Werder, Brandenburg an der Havel, Jüterborg und Rathenow.
Rettungskräfte und Schulbusse würden aber durchgelassen, so der Landesbauernverband.
Das Bildungsministerium rechnet trotzdem damit, dass auch Schüler wegen der Straßenblockaden nicht rechtzeitig zum Unterricht kommen. Lehrkräfte sollten unter anderem Lernaufgaben an Schüler verteilen oder Distanzunterricht organisieren, hieß es in einer Mitteilung.
Mobilisierung durch radikalere Kreise befürchtet
Politiker und Bauernverbände riefen vor der Aktionswoche ab Montag ausdrücklich zur Mäßigung auf. „Bleibt friedlich“, forderte der brandenburgische Bauernpräsident Henrik Wendorff bei der Plattform X (vormals Twitter). Kritik hatte es etwa an aufgestellten Galgen an Straßen gegeben. Das Innenministerium in Potsdam sah auch die Gefahr, dass rechtsextreme Kräfte Einfluss nehmen wollen.
Ministerpräsident Dietmar Woidke sagte dem rbb, er könne die Sorgen der Landwirte und die Proteste – als „gutes demokratisches Recht“ – nachvollziehen. Aber sie sollten sich davor hüten, Rechtsextremisten das Feld zu überlassen.
Deutscher Bauernverband distanziert sich von radikalen Gruppen
Rechte und andere radikale Gruppierungen sind laut Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV) Joachim Rukwied bei den Demonstrationen unerwünscht. Das brandenburgische Innenministerium sieht die Gefahr, dass Rechtsextremisten Einfluss auf Bauernproteste nehmen wollen. „Brandenburgische AfD-Funktionäre und Der Dritte Weg mobilisieren bereits in diesem Zusammenhang“, teilte das Innenministerium in Potsdam in einer Stellungnahme am Sonntag mit. Zuvor berichtete die „Märkische Allgemeine Zeitung“.
Das Innenministerium rief Landwirte auf, sich von Einflussversuchen rechter Kräfte zu distanzieren und Versuche der Einflussnahme zu unterbinden. Der brandenburgische Verfassungsschutz stuft die AfD im Land als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein. In Cottbus meldete ein AfD-Politiker für Montagabend eine Demonstration gegen die Politik der Bundesregierung an.
Bauern rechnen durch Subventionskürzungen mit Wettbewerbs-Nachteilen
Entzündet hatte sich die Wut der Landwirte an geplanten Kürzungen der Subventionen für die Branche im Zuge der Haushaltskrise. Die Bundesregierung hat die Pläne mittlerweile wieder weitgehend einkassiert, der DBV hält dennoch an den Protesten fest.
Die Landwirte beklagen teils nicht zu verkraftende Einkommenseinbußen durch die geplanten Subventionskürzungen. Sie sehen auch die Gefahr, dass sie mit der Produktion von Lebensmitteln nicht mehr wettbewerbsfähig innerhalb der EU sind.
„Für uns Spargelbauern bedeutet es noch weitere Wettbewerbsverzerrungen gegenüber Importware“, sagte der Vorsitzende des Beelitzer Spargelvereins, Jürgen Jakobs, der Deutschen Presse-Agentur. „Es wird auf jeden Fall teurer.“ Auch die Spediteure ächzten unter den Mautbelastungen. „Die Bundesregierung fabriziert Kostensteigerungen, die landen am Ende alle beim Verbraucher.“
Spargelbauer Jakobs, der 250 Hektar mit Spargel und 50 Hektar mit Beeren bewirtschaftet, verbraucht nach eigenen Angaben etwa 150.000 Liter Agrardiesel für Traktoren und Maschinen etwa zur Bewässerung. Es entstünden Kosten von rund 240.000 Euro. Ein Wegfall der Agrardiesel-Subvention mache ein Minus von 30.000 Euro aus.
Entgegenkommen der Ampel reicht Bauern nicht
Grund dafür, dass der DBV trotz des Einlenkens der Bundesregierung noch immer an dem Protest festhält, ist, dass ihm die teilweise Rücknahme der Pläne nicht reichen.
Der DBV fordert eine vollständige Rücknahme aller Sparmaßnahmen, da gebe es „keine Kompromisse“.
Die Bundesregierung hatte im Dezember geplant, im Agrarbereich 920 Millionen Euro einzukürzen, um das Haushaltsloch 2024 zu stopfen. Unter anderem sollten die Kfz-Steuerbefreiung für Fahrzeuge in der Landwirtschaft und die Subventionen für den Agrar-Diesel gestrichen werden.
Am Donnerstag hatte die Bundesregierung dann nach wochenlangen Protesten der Bauern den Wegfall der Kfz-Steuerbefreiung zurückgenommen. Die Subventionen sollten schrittweise bis 2026 abgebaut werden.
Redakteur: Dirk Thomas Meerkamp (Chefredakteur)