Geldgebertreffen der Werteunion am Werbellinsee erhält wenig Resonanz.
Bei einem Treffen mit Unternehmern und potenziellen Geldgebern am Werbellinsee wirbt Hans-Georg Maaßen für die Werteunion. Die soll sich am Sonntag von der CDU/CSU als eigenständige Parteiabspalten. Die Resonanz ist überschaubar.
Bei eisiger Kälte fahren vor allem schwarze Limousinen und SUVs auf den Parkplatz des Hotels am idyllisch gelegenenWerbellinsee (Barnim). Mitarbeiter des Hotelsschieben noch eilig den Schnee auf den Gehwegen zur Seite, denn es steht prominenter Besuch an.
Michael „Mike“ Kuhr begrüßt die Gäste persönlich. Der braungebrannte, hagere Mann ist einer der bekanntesten Personenschützer Deutschlands. Heute aber ist er in politischer Mission hier, denn er ist Beisitzer im Bundesvorstand der Werteunion – so steht es zumindest auf der Vereins-Webseite. Er begleitet Hans-Georg Maaßen, den ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Chef der Werteunion. Die bezeichnet sich selbst als „konservative Basisorganisation innerhalb der CDU /CSU“ und hat nach eigenen Angaben 4.000 Mitglieder – rund 85 Prozent von ihnen gehören der CDU / CSU an. Sie war jedoch nie eine offizielle Parteigliederung.
Geht es nach dem Willen Maaßens, werden die Mitglieder der Werteunion an diesem Sonntag in Erfurt beschließen, sich als eigene Partei von der Union abzuspalten. Um das Geld für die Parteigründung und die anliegenden Wahlkämpfe für die Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen zusammenzubekommen, wurden eine ganze Reihe Unternehmer und weitere mögliche Mitstreitereingeladen. Doch es kamen nur fünf Interessierte. Zwei rbb24-Recherche Reporter wurden Ohrenzeugen einer Veranstaltung, die ahnen lässt, was Deutschland von Maaßens Werteunion zu erwarten hat.
Der angeblich „schleichende Niedergang“ Deutschlands
Nach einer kurzen Begrüßungsrunde der Teilnehmerstellt Maaßen sich vor, während Kellner die Vorspeisenteller auf den weißen Tischdecken platzieren. Er berichtet von seiner Karriere als Jurist im Bundesinnenministerium und vor allem von seiner Zeit als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Man habe „viele Terroranschläge“ verhindert, rund 20 IS-Täter identifiziert. Er sei schon damals derjenige gewesen, der politisch immer wieder „klare Kante“ gezeigt habe.
Zu seiner Entlassung als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutzes sagt er, er hätte danach auch einen Job als Staatssekretär erhalten können oder in einer Botschaft, habe sich aber nun der Politik verschrieben. Maaßen war im November 2018 in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden, nachdem er mehrfach bestritten hatte, dass es bei den Ausschreitungen in Chemnitz Hetzjagden auf Ausländer gegeben habe.
Schnell kommt Maaßen in der Tischrunde auf seine politische Antagonistin zu sprechen: Angela Merkel. Er stellt klar, er habe nie ein gestörtes persönliches Verhältnis zu Merkel gehabt. Die Differenzen seien rein politischer Natur gewesen. Dabei nennt er vor allem die Migrationspolitik – aber ebenso den Atomausstieg. Jetzt wolle er sich deshalb gegen den „schleichenden Niedergang“ Deutschlands engagieren.
Maaßen zu Putin: „Umfeld gefährlicher als er selbst“
Die Teilnehmer der Unterstützer-Runde wollen von Maaßen diverse Einschätzungen hören, was sie von der Werteunion zu erwarten haben. Zu Russland sagt er, man brauche einen Verhandlungsfrieden. Putins Umfeld sei möglicherweise gefährlicher als er selbst, denn Putin sei ein geschickter Staatsführer und sehr berechenbar. So habe er, Maaßen, bereits 2017 mit einem Einmarsch Russlands in die Ukraine gerechnet, den auch er als völkerrechtswidrigen Angriff betrachtet.
Doch dann geht der ehemalige Verfassungsschutz-Chef gezielt zu seinem wichtigsten Thema über:zur Migrationspolitik. In Mali werde die Parole ausgegeben: Wer nach Deutschland komme, erhalte dort „eine Kuh, eine Frau und ein Haus“. Genau diese Menschen müssten an den Grenzen abgewiesen werden, fordert Maaßen: Die Bundesregierung müsse nur den Präsidenten der Bundespolizei anweisen, alle Menschen, die aus Drittstaaten an die deutschen Grenzen kommen, abzuweisen.
Auch ein anderes Thema bringt Maaßen sichtlich auf. Mit lauter Stimme geht er die ARD und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt scharf an. Sogar vormals vom Verfassungsschutz beobachtete Linksradikale machten dort Karriere, behauptet er. Auch die Plattform „Correctiv“ sei ein Projekt von Linksradikalen, wettert der ehemalige Präsident des Verfassungsschutzes.
„Antisemiten gibt es auch im ADAC“
Die teilnehmenden Unternehmer und potentiellen Geldgeber wollen nun wissen, wie Maaßen die AfD einschätze und wie er die Werteunion in dieser Hinsicht positionieren wolle. Maaßen stellt mehrfach klar, dass die AfD nur „in Teilen radikal“ sei. Auch fällt der Satz „Antisemiten gibt es auch im ADAC“. Er kritisiert die Brandmauer, die Friedrich Merz für die Union in Abgrenzung zur AfD errichtet habe.
Seine Prognose sei, dass die Union am Ende zwar den Kanzler stelle, aber die neue Bundesregierung programmatisch von den Koalitionspartnern SPD und Grüne dominiert werde, die FDP „verzwerge sich“ ohnehin gegenwärtig selbst. Er werde nach Wahlen mit allen reden – auch in Thüringen. Auf seine Haltung zu Björn Höcke angesprochen, macht Maaßen klar, dass er sich diesen nicht am Kabinettstisch vorstellen könne. Eine seiner Werteunion-Mitstreiterinnen ergänzt aber, Höcke müsse man einfach einbinden und beobachten – dafür sei Maaßen doch aufgrund seiner Verfassungsschutzvergangenheit der richtige Mann.
Mit seinen Ansichten zur AfD stößt Maaßen bei den Teilnehmern der Runde auf Skepsis und Ablehnung. Von den erhofften Unterstützern der Werteunion, durchweg von der CDU schwer enttäuschte Konservative, ist kein radikales Wort zu hören. Ein Teilnehmer, der sich als Jude zu erkennen gibt, sagt: „Ich kann mir nie vorstellen, mit einem Höcke in einem Raum zu sitzen. Wissen Sie, ich habe meine beiden Großväter nie kennengelernt.“
Redakteur: Dirk Thomas Meerkamp (Chefredakteur)